Inspiration:
Ein sogenannter „Jahrestag“
„PARSHIP“
Alle elf Minuten verliebt sich jemand über Parship. Du meine Güte, das muss ja auf Dauer echt anstrengend sein, sich alle elf Minuten zu verlieben! Nicht zu beneiden, dieser „Jemand“.
Was mich da geritten hat diesem Verein dennoch beizutreten, weiß ich nicht wirklich. Möglicherweise das dritte, seelentröstende Glas Rotwein an einem stillen Samstagabend. Zuvor hatte mich mein Freund Rolo besucht, der über das Internet seine zweite Frau gefunden hatte und mir davon berichtete. Eine Woche davor lernte ich die Lebensgefährtin meines alten Freundes Günni kennen, auch die waren sich in der virtuellen Welt begegnet und hatten sich nach exakt elf Minuten schlagartig ineinander verliebt.
Allesamt geschieden, jeder mit leidvollen Geschichten. Offensichtlich hat man nach Trennungen keinen Bock mehr, im klassischen Stile auf die Pirsch zu gehen. Schon gar nicht, wenn man sich auf diesen Ü30-Partys derartig unwohl fühlt, dass man am liebsten nach einer halben Stunde laufen gehen möchte. Mit 50 allemal, soweit zu meinem Alter.
Vor gut und gerne 20 Jahren hab ich in meiner einsamen Zeit in Köln eine Annonce im Stadtmagazin geschaltet. An den Text erinnere ich mich nicht mehr, doch der muss gut gewesen sein, nach einer Woche quoll mein Briefkasten über mit handgeschriebenen Briefen inclusive Fotos. Ich erinnere mich, wie ich all diese Briefe auf meinem Fußboden verteilte und mir vorkam wie Leonardo DiCaprio persönlich. Die drei Damen, die ich mir damals aussuchte, traf ich dann auch. Eine davon verliebte sich unsterblich in mich, und ich hatte nichts Besseres zu tun, als diesem armen Mädel gehörig das Herz zu brechen. Das tut mir heute noch leid, wenn ich daran denke.
Sei es drum, ich beschließe also, mich in einer dieser Partnerbörsen anzumelden, zugegeben mit einem mehr als mulmigen Gefühl. Parship erscheint mir am besten, Millionen einsamer Herzen können sich doch nicht irren.
Den psychologischen Fragebogen finde ich witzig, mit so etwas kenne ich mich gut aus. Ich hab jede Menge von dem Kram in meiner Coachingausbildung durchlaufen müssen. Bei einem kam raus, dass ich zu 90 Prozent eine Frau bin. Hat mich echt weitergebracht, diese Erkenntnis!
Und schon nach einer Stunde bekomme ich postwendend ein 40 Seiten starkes Pamphlet über meine jetzige Persönlichkeit, in dem man mir bestätigt, dass ich nicht ganz dicht bin. Ich überlege, die Mitgliedschaft wieder zu kündigen, entschließe mich aber dann doch, den Zirkus mitzumachen.
Tatsächlich dauert es nicht lange, bis ich die ersten Zuschriften bekomme. Mein Profil scheint der ein oder anderen Dame zu gefallen. Besonders Lehrerinnen, das ist auffällig.
Ich lerne den Umgang mit der Plattform, schreibe ein Paar Antwortmails, in denen ich mich für das Interesse bedanke und meine Bilder freigebe. Funktioniert, die meisten reagieren mit der Freigabe ihrerseits, es geht ein bisschen hin und her, es sei denn, die sichtbaren Merkmale meiner Schreiberinnen entsprechen so gar nicht meinem Beuteschema.
Alle googlen natürlich meinen Namen, den ich offenherzig nenne, wenn man mich danach fragt. Da ich eine öffentliche Person bin, wird man hier schnell fündig, was wiederum die unterschiedlichsten Reaktionen hervorruft:
1. Stille, will heißen, der Kontakt bricht kommentarlos ab.
2. Stille, nach einem Kommentar. Etwa der einer 48 jährigem Diplompsychologin, die mir eine schwere Psychose attestiert. Oder einer 55 Jahre alten Werbetexterin, die sich fast wütend über meinen zügellosen Narzissmus aufregt.
3. Das Gegenteil von Stille. So wie eine 52 jährige Dekorateurin, die ihr Alter auf Parship allerdings mit 48 angibt und dabei vergisst, dass auch ich mit Google ein wenig Erfahrung besitze. Sie malträtiert mich eine ganze Woche lang mit Fotos ihrer beträchtlichen Oberweite, bis es mir zuviel wird und ich um Kontaktabbruch bitte.
Parship wiederum ist der Meinung, ich wäre ein echt toller Typ und schlägt mir über 5000 geeignete Damen vor, die ich doch mal kontaktieren solle. Ich bin völlig überfordert damit und google stattdessen, wo denn die nächste Ü30-Party stattfindet. Die Mitgliedschaft kündige ich vorsorglich, damit sie sich nicht automatisch verlängert.
Nichts desto trotz, ich blättere in meinem potentiellen Partnerinnen-Pool (PPP) und lese das Profil einer Qualitätsmanagerin, das es mir auf eine gewisse Art und Weise angetan hat. Ich gebe meine Profilbilder frei und sende ihr ein „Lächeln“. Zur Erklärung, wenn man im Moment nicht weiß, was man sagen soll, drückt man auf den „Ein Lächeln senden“-Button, um sein Interesse zu bekunden. Ganz wie im richtigen Leben, denn Lächeln ist immer ein Türöffner. So einen Button sollte jeder mit sich herumtragen und ständig gedrückt halten!
11 Minuten später lächelt sie zurück…
…und ich verbringe seitdem viel Zeit damit, ihre schönen Bilder zu betrachten, ihr zu schreiben und mich über die Art ihrer Antworten zu freuen, in denen sie mir von sich erzählt. So ganz anders wie die Emails, die man mir bisher schrieb. Ihre Sprache ist unverblümt, leicht und klar wie ihre grünen Augen. Sie stellt sich mir nicht vor, schreibt mir stattdessen wie jemand, dem man schon lange kennt, seinem besten Freund.
Aber das Allerbeste ist: sie will mich tatsächlich sehen, nachdem sie über mich gelesen hat! Ohne vorheriges Telefonat, in dem ich wahrscheinlich eh nicht gewusst hätte, was ich sagen sollte. Gott sei es gedankt.
Morgen ist es soweit. Ich betrachte mich im Spiegel, stelle fest, nicht Leonardo DiCaprio zu sein, und fühle mich dennoch wohl in meiner Haut. Wenn ich ihr jetzt noch einmal schreiben wollte, würde ich ihr das hier schreiben:
„Egal, was sich ergeben wird, du tust mir gut!“
Denn seit zwei Tagen lächle ich ununterbrochen.
Nachtrag:
Und bis heute lächele ich. Jetzt schon ein ganzes Jahr, angesichts eines so großen Glückes! Ein virtuelles Lächeln genügte, um meinem Leben die erhoffte Wendung zu geben. Mit ihr an meiner Seite, innerhalb von 11 Minuten!
Die hatten tatsächlich Recht. Danke Parship!
Für dich, meine Michi
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