Schlagwort: Mut

Selfies!

Inspiration: ein missratenes Foto

Selfies!

Zunächst die offizielle Definition laut Wikipedia:

„Ein Selfie ist eine Art Selbstporträt, oft auf Armeslänge aus der eigenen Hand aufgenommen. Selfies sind oft in sozialen Netzwerken wie Facebook, Snapchat oder Instagram zu finden und bilden eine oder mehrere Personen (Gruppenselfies) ab.“

Nur damit alle wissen, wovon ich rede. Der Autor dieses Open Brain-Lexikons scheint mir auch nicht mehr ganz dicht zu sein, angesichts seiner seitenweisen wissenschaftlichen Ausführungen zum Thema „Selfies“. Ich bin mir sicher, er lebt in Scheidung!

Aber Dank seiner Bemühungen weiß ich jetzt, was ein Makake ist (siehe das Beitragsbild eines sich selbst porträ-Tier-enden Primaten). Meiner Meinung nach hätte dieses Bild genügt, um jenes Massenphänomen unserer Gesellschaft hinreichend und in aller Tiefe zu erklären.

Bilder sagen halt mehr als tausend Worte!

Daher liebe ich so sehr die Fotografie, bin immer auf der Suche nach jenen Motiven, die mir Antwort auf meine zentralste Frage geben. Man muss sich nur mit seiner Kamera in eine belebte Innenstadt begeben und planlos auf den Auslöser drücken. Danach sichtet man die Bilder und alle Fragen haben sich erübrigt. Ich kann jedem meiner Leser von Herzen empfehlen, genau dies einmal zu tun.

Ein besonders guter Fotograf bin ich sicher nicht. Die Erkenntnis kam mir spätestens nach dem kürzlich erlebten Debakel, als ich es übermütig wagte, eines meiner Bilder in einem Profiforum ungarischer Spitzenfotografen zu posten. Blendengröße und Belichtungszeit waren ihrer nicht würdig, damit löste ich einen Sturm der Entrüstung aus und wurde derart verbal verprügelt, dass sich der Gruppenadministrator genötigt sah, mein Werk zu entfernen, um mich vor weiteren Beschimpfungen zu schützen.

Doch ich habe verstanden, die technisch exzellenten Detailaufnahmen der verrottenden Autoreifen eines meiner Hauptkritiker waren mir Lehre genug. In diesem Falle alles eine Frage der Technik oder Ausstattung, nicht die des Auges.

Abgesehen von meinen Fotos, ich will nicht wissen, was Günter Grass zu meinen Texten sagen würde, könnte er sie noch lesen.

Egal, es ist Zeit für ein Selfie! Denn sie haben wohl auch den Sinn, sich seiner selbst bewusst zu bleiben. Jeder Schwachsinn hat einen Sinn, so wie jeder Übermut mutig ist!

Denen zahle ich es heim. Das sollen sie mir erstmal nachmachen. Alles eine Frage der Technik, der Ausstattung und einer überlegten Vorgehensweise. Das ist wahre Fotografie.

Hier also die Anleitung zu einem guten Selfie:

Ich besorge mir eine sogenannte „Rückfahrkamera“. Die ist schon ab ca. 30.000 Euro zu bekommen, je nachdem, welches Auto an ihr verbaut ist.

Die eigene Kamera platziere ich mittels eines Stativs im Innenraum der Luxuslimousine mit Fokus auf den 11 Zoll Monitor des Bordcomputers. Mittels Besenstange klemme ich das Kupplungspedal an den Fahrersitz, um den Leerlauf zu sichern. Ich vergewissere mich, dass die Handbremse fest angezogen ist (besonders wichtig bei abschüssigen Straßen).

Starte den Motor und lege den Rückwärtsgang ein, um die Rückfahrkamera zu aktivieren.

Ich betätige den Selbstauslöser meiner Sony und hechte mit einem gekonnten Sprung hinter den Wagen. Schaue etwa 10 Sekunden in die Kamera an der Heckklappe. Warnung an alle, die es mir nachtun wollen: auf keinen Fall länger als 10 Sekunden, immerhin läuft der Motor, die drohende Kohlenmonoxyd-Vergiftung kann das Bild echt versauen!

Dann betrachte ich das Bild.

Sowie das gesamte Umfeld.

Fertig.

Selfies sind cool!

image

image

Home – Erlebtes – Lyrisches – Gesehenes – Warum dieser Blog? – Bloginhalte – Über den Autor

 

 

Day After Movie (…ein innerer Dialog)

Inspiration:

Die vergebene Hoffnung auf einen Kinoabend

„Day After Movie (…ein innerer Dialog)“

Um die Persönlichkeit eines Menschen in seiner Gesamtheit zu verstehen, bedarf es der Erkenntnis, dass es eben nicht die eine Persönlichkeit in uns gibt, sondern eine Vielzahl oft völlig gegensätzlicher „Sub-Persönlichkeiten“, die sich Tag ein Tag aus in Form jener inneren Stimmen in uns bemerkbar machen. Insbesondere dann, wenn es einer Entscheidung bedarf, etwa der am Morgen aufzustehen oder liegen zubleiben.

Wer kennt sie etwa nicht, diesen inneren Kritiker oder den Visionär, den Macher oder den Jammerer, den Erwachsenen oder das Kind, alle samt in mir vereint, und noch viele mehr! All diese Kreaturen quasseln den ganzen Tag in meinem Kopf vor sich hin und verursachen ein heilloses Durcheinander in mir. Wie soll man sich denn da noch zurechtfinden?

Um diesem Irrenhaus dennoch Herr zu werden, ist eine innere höhere Instanz von Nöten, genannt das „Selbst“. Anders ausgedrückt ist also mein Selbst der Chef in der geistigen Hütte, der sich wohlwollend jede dieser anteiligen Stimmen anhört und darin zu erkennen vermag, dass alle doch irgendwie Recht haben und eigentlich nur Gutes beabsichtigen, jeder für sich und aus seinem beschränkten Horizont heraus.

Die eigentliche Entscheidung jedoch verbleibt ausschließlich meinem Selbst, nachdem es sich alle mir wohlwollenden Meinungen angehört hat, um auf dieser Basis letztendlich die Entscheidung zu treffen, aus dem Fenster zu springen. Oder auch nicht.

Der ständige Dialog mit seinen inneren Gestalten ist so gesehen von elementarer Bedeutung, egal in welcher Lebenssituation auch immer. Die lassen einen niemals im Stich! Zum besseren Verständnis hierzu das folgende Beispiel, welches wie immer auf einer wahren Begebenheit beruht:

Eine liebe Freundin schreibt mir an einem Montagabend – in diesem Moment tatsächlich etwas unverhofft – eine E-Mail mit dem Vorschlag, wir könnten ja am Samstag ins Kino. Ich habe sie schon lange nicht mehr gesehen, bin buchstäblich aus dem Häuschen und rufe daraufhin meine beste Freundin an, eine meiner inneren Kreaturen. Weißt du, so eine treue Begleiterin, die immer ein Ohr für mich hat, der ich mich mit all meinem Zeug, sei es Kummer, Schmerzen oder auch Freude mitteilen darf.

Ich teile mich eigentlich nur Frauen mit. Männer sind mir da nicht zugänglich. Ich meine natürlich die Männer und Frauen in mir. Kennst du die auch, diese männlichen und weiblichen Anteile in dir?

Wie gesagt, meine innere beste Freundin ist meine Vertrauensträgerin. Tag und Nacht für mich da. Findet immer ein gutes Wort, hört mir zu, fragt nach mir. Sie sorgt sich um mich, ja manchmal geht sie mir auch mit ihren liebgemeinten Ratschlägen auf den Nerv, aber meistens hat sie Recht. Sie ist neugierig und bohrt, will alles wissen. Wunderbar ist sie, sie tut mir gut.

Erste Anlaufstelle also, ich rufe sie an und läute an einem Montag das Wochenende ein:

(Ich) „Du glaubst es nicht, sie geht mit mir am Samstag ins Kiiiiinooooooo!!“

(Sie) „Ist nicht wahr!“

(Ich) „Doch!“

(Wir) „AAAAHHHHHHHHHHH!!!!“

Natürlich hab ich auch einen inneren besten Freund. Er ist halt ein Mann, so einer vom Typ „…na Kopf hoch, das wird schon wieder…“. Mit dem Kerl red´ ich nicht groß über Gefühle, geschweige denn über Frauen, da hat er nicht viel mit am Hut. Seine große Liebe bleibt sowieso nur Schalke, er hat ´ne Jahreskarte und wenn er mich trösten will, kommt er immer nur auf die Idee, mich mit ins Stadion nehmen zu wollen, obwohl ich Fußball eigentlich nicht mag, erst recht nicht Schalke!

Glaub mir, der hat noch nie ein Buch gelesen und ist allen Ernstes der Meinung, Martin Luther-King wäre einer dieser Basketball NBA-Spieler. Ist in seinem Leben nicht wirklich weitergekommen, verzockt sich ständig, ist chronisch pleite. Aber er verliert niemals den Mut, ist voller Energie, hat nur Unsinn im Kopf und einen unschlagbaren Humor, er bringt mich immer nur zum Lachen.

Ein professioneller Pferdedieb! Mit ihm mache ich das, was man mit einem Hund ohne Beine macht: um die Häuser ziehen…

Du siehst, die inneren Kreaturen sind unterschiedlicher denn je, aber sie haben nur das eine gemeinsam: sie wollen dir Gutes! Auch die Dämonen. Letztere sollen hier aber heute keine Rolle spielen, darüber schreibe ich ein andermal.

Die Woche vergeht im Fluge, es ist mittlerweile Sonntag. Ich sitze in der Zeppelinstraße Nr.1 in Bonn Bad Godesberg – bekannter Maßen die ansässige Polizeiwache – mit einem Tampon in der Nase, diversen Schürfwunden und einer verbogenen Brille im Gesicht.

Meine Laune ist nicht wirklich gut, den Samstag Abend hatte ich mir etwas anders vorgestellt. Sie ist weg, ich konnte ihr gerade noch meinen Autoschlüssel an den Kopf werfen, als mich die Bullen aus dem Kino zerren.

Brauche jetzt jemanden, der mich hier abholt, ich hab die Schnauze voll und will ins Bett.

Rufe meine innere beste Freundin an:

(Ich) „Hi, ich bin´s, kannst du…“

(Sie) „Ja Hiiiiii!! Duuuu bist es. Naaaaaaaaaaa? Wie war´s?????????“

(Ich) „Was…?“

(Sie) „Na Kinooooo, was denn sonst! Man erzähl schon, wie war es???“

(Ich) „Schön…“

(Sie) „Aohhhh, sag mal, was bist du denn so kurz angebunden, muss ich dir mal wieder alles aus der Nase ziehen? Jetzt erzähl schon. Ward ihr vorher schön was essen?“

(Ich) „Nee, sie hatte schon gegessen. In Mailand, mit zwei Typen und ´ner Ärztin…“

(Sie) „Äh…, Mailand?“

(Ich) „Mailand…“

(Sie) „…mit zwei Typen und ´ner Ärztin?“

(Ich) „Jupp…“

(Sie) „… und danach mit dir ins Kino, in Mailand?“

(Ich) „Nee, in Bonn…“

(Sie) „Gut, das eine Ärztin dabei ist…geht’s dir gut?“

(Ich) „Nicht wirklich…“

(Sie) „Na dann hatte sie dir ja viel zu erzählen…“

(Ich) „Nee, sie hat gepennt, ist mir im Auto eingeschlafen, ich hab sie irgendwie noch ins Kino gefrachtet und sie schlief einfach weiter, war wohl zu müde…“

(Sie) Schweigen

(Ich) „Bist du noch dran?!“

(Sie) „Geht’s dir wirklich gut?“

(Ich) „Laut geschnarcht hat sie. Dann dreht sich der Typ vor mir um, sagt, ich solle diese besoffene Alte endlich aus dem Kino schaffen…frage ihn, wen er hier mit besoffener Alter meint…er deutet auf sie und sagt, Penner wie wir sollen ihren Rausch woanders ausschlafen…ich schütte ihm daraufhin wortlos meinen Popkorneimer über seine Föhnfrisur und einen Liter Cola hinterher…“

(Sie) „Du sollst doch keine Cola trinken! Die ist nicht gut für dich, du redest ja schon wirres Zeug!“

(Ich) „…der Typ springt auf, wirft seine Käse-Nachos in meine Richtung, ich ducke mich und er trifft einen dieser Vollidioten vom Motoradclub Hennef-Uckerrath, die zwei Reihen hinter uns sitzen…ich wiederum dreh mich genervt um und brülle denen zu, sie hätten sich im Kino geirrt , die Chuck Norris-Filmnacht sei in Kino 8 und nicht in 9, ihr Blödmänner…“

(Sie) „Jetzt mach ich mir echt Sorgen um dich!“

(Ich) „…brauchst du nicht, hatte ich gestern auch nicht, als die über mich hergefallen sind. Kannst du mich bitte jetzt holen?“

(Sie) „Du solltest jetzt besser mal schlafen, so wie deine Freundin.“

(Ich) „Bist du noch dran?! Hallo?“

Aufgelegt.

Shit, sie glaubt mir nicht. Manchmal gibt es wohl Situationen, da glaubt einem keine(r).

Hilft nichts, ich will in mein Bett, schlafen. Sie hat mal wieder Recht!

Na, da bleibt nur einer. Obwohl, das könnte Stress geben, draußen ist es noch dunkel und wie ich den Kerl kenne, erwische ich ihn auf dem falschen Fuß. Samstags ist er mit dem Hund ohne Beine unterwegs und trinkt mindestens 5 Jacky-Cola mit parallel selbiger Anzahl Hefeweizen, schwingt große Reden und verpennt den Sonntag. Schalke hat zudem verloren.

Cola ist nicht gut für ihn, das predige ich ihm schon ewig, aber er hört einfach nicht auf mich. Der braucht wirklich eine Freundin!

Sag mal, pennt denn die ganze Welt?

Ich wähle die Nummer…

(Er) „Mhja…“

(Ich) „Alter, ich bin´s, kannst du…“

(Er) „Sach mal du Platzpatrone, weißt du eigentlich, wie viel Uhr ist?“

(Ich) „Nee, Uhr kaputt…“

(Er) „Kauf dir ´ne neue…was is?“

(Ich) „Bin bei den Bullen…“

(Er) „Wo?“

(Ich) „Zeppelinstraße 1“

(Er) „Kenn ich, die sind cool…Warum?“

(Ich) „War mit ihr im Kino.“

(Er) „Na dann is ja kein Wunder…Warum Bullen?“

(Ich) Obiges in sehr verkürzter Form und in extrem genervten Wortfragmenten, also so, wie sich Männer um halb acht Sonntag morgens unterhalten, aber in dieser unerreichten Reduktion aufs Wesentliche, das können Frauen nicht…

(Er) „Hast du noch was von dem Zeug?“

(Ich) „Was für ein Zeug?“

(Er) „Na das, was du gerade geraucht hast. Will ich auch. Komm heute Abend mal rüber. Nacht!“

(Ich) „Bist du noch dran?! Hallo?“

Aufgelegt.

 

image

 

Home – Erlebtes – Lyrisches – Gesehenes – Warum dieser Blog? – Bloginhalte – Über den Autor

INTENSIV…

Für meinen Vater, gestorben am 01. Oktober 2013

Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.
Und sieh dir andre an: es ist in allen.
Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen
unendlich sanft in seinen Händen hält.

.
Rainer Maria Rilke

„Intensiv…“

…ist es hier auf dieser Station. Im Eingangsbereich sieht es aus wie im Cockpit von Raumschiff Enterprise, überall Überwachungsmonitore im Blicke der in blauen Raumanzügen gehüllten Pfleger.

Es ist nicht so ruhig wie auf der Krebsstation meines Bruders. Überall piepen und klingeln die Geräte. An den Decken hängen Leuchttafeln mit den Patientennummern, deren Daten sich in offensichtlich kritischen Bereichen befinden. Mein Vater hat die Nummer  B0 15.

Ich betrachte die Werte seines geschundenen Körpers, die Herzfrequenz, den Blutdruck, die Körpertemperatur. Die anderen Kurven und Zahlen verstehe ich nicht, muss ich auch nicht. Entscheidend ist, dass eine Berührung seiner Hände oder seiner Stirn die Werte irgendwie beeinflussen, sichtbar.

Er hat kein Bewusstsein mehr, könnte man meinen. Oh doch, er ist da.

Wir sitzen den ganzen Tag an seinem Bett, ich höre seinen schweren Atem. Schmerzen hat er keine, da vertraue ich den Ärzten. Er zeigt
keinerlei Regung, die Augen bleiben verschlossen. Nur wenn die Pfleger nach ihm schauen, öffnen sie ihm sanft die Lider und durchleuchten seine grau blassen Pupillen. Vielleicht sehen seine Augen durch uns hindurch in das Licht des Jenseits.

Im Bett neben meinem Vater liegt ein älterer Mann, ich schätze ihn auf Ende Sechzig. Er ist aus dem Koma erwacht und quält sich in unsagbaren Schmerzen, reißt sich ständig die Schläuche vom Leib. Dann kommen die Pfleger und beruhigen ihn, geben ihm wieder Methanyl. Er leidet unter Morphium-Entzug. Sein Stöhnen und Röcheln ist schier unerträglich.

Mein Vater hingegen ist ganz ruhig. Was für ein Segen. Friedlich ist sein Anblick nicht. Der geöffnete Mund lässt ihn flehentlich
erscheinen.

Papa war ein großer Geschichtenerzähler. Seine letzte erzählte er mir vorgestern Abend, wir tranken unser letztes gemeinsames Glas Rotwein. Die von einem kleinen Affen, der wäre aus dem Zoo ausgebügst und hätte den ganzen Tag am Straßenrand gesessen, um  interessiert den Verkehr zu beobachten. Großes Chaos habe er angerichtet, nur dadurch,dass er da hockte. Ich fragte ihn, ob man das Äffchen wieder eingefangen hätte. „Oh Nein!“ sagte er, in unserem Garten hielte er sich jetzt versteckt.

Was für ein wunderbarer Unterschlupf für den kleinen Chaos-Affen, der Garten meines Vaters.

„Guten Nacht Jung’…“ waren seine letzen Worte an mich.

Und die an meine Mutter waren ein Liebesgeständnis, als sie sich beide ins Bett legten.

Immer kindlicher wurde er in den letzen Wochen. Er hörte auf zu Lesen, schreiben konnte er schon seit längerem nicht mehr. Stundenlang saß er auf dem Balkon und beobachtete die Wolken. Er war in Kriegszeiten Schäfer und vermochte es, das Wetter zu prognostizieren. In aller Regel sehr treffsicher. Er hat mich aber nie in die Geheimnisse seiner Wolkenbeobachtungen eingeweiht.

Gottgläubig war er, zutiefst und kindlich. Hunderte von Gebeten und Meditationen schrieb er in seinen letzten Jahren, hielt wöchentliche Friedensgebets-Treffen in der Kapelle ab. Manchmal hatte ich den Eindruck, er betete fast verzweifelt.

Ich selber habe ihn nie begleitet in seine Kapelle, mir erschien dies alles irgendwie bigott.

Wie mag es mir jetzt erscheinen, wenn ich seine Worte wieder lesen werde, seine Gebete und Meditationen. Oder seine Lebenserinnerungen, die er über seine Kindheit, Schüler- und Studienzeit niederschrieb und damit in diversen Leserkreisen für Furore sorgte.

Darum drehten sich seine Gedanken und immer währenden Erzählungen. Die eines schmächtigen kleinen Jungen in den Anfängen des Krieges als Jüngster von 9 weiteren Geschwistern. Drei von ihnen verstarben im Kindesalter, sein geliebter großer Bruder blieb im Krieg verschollen. Die Eltern verstarben an ihrem Kummer.

Er war letztlich der Intellektuelle, studierte als Einziger mit Bravour und lehnte eine Universitätslaufbahn ab, dafür war er zu
bescheiden. Seine Professoren bewunderten ihn, seine Abschlussarbeitüber Kafka ist bis heute eine „Legende“. Ich habe sie jedoch nie
gelesen.

Ja, er war bis zum Schluss ein sehr ängstlicher Mensch, nie der starke Vater. Immer nur auf unser Wohl bedacht, voller Sorge, jegliches
Risiko ablehnend.

Aber als Lehrer gefürchtet und zugleich geliebt. Aus den Erzählungen seiner Schüler erkannte ich nie meinen Vater, es erschien mir gerade so, als redeten sie von jemand anderem.

Das war seine eigentliche Berufung, und doch blieb er mir auch hier immer geheimnisvoll. Er wollte nicht, dass ich sein Schüler wurde. Und er behandelte mich nie als den seinen, auch wenn ich mir das oft gewünscht hatte.

Er ließ mich ziehen, verjagte mir meine jugendlichen Flausen nicht, belehrte mich nie über meine durchschnittlichen schulischen
Leistungen, gab mir nur wenig Ratschläge in meiner Suche und auf meinem merkwürdigen Lebensweg. Trug all meine Eskapaden ohne Kritik.

Ganz im Gegensatz zu meinen Geschwistern, die er mit strenger Hand erzog.

Wie sehr hatte ich mir doch einen starken Vater gewünscht, doch das war er nie für mich. So glaubte ich es immer in meinen Lebenskrisen, und ich machte ihn mit dafür verantwortlich.

In Wahrheit aber gab er mir schlichtweg seine Liebe und das größte, was man seinem Kind entgegen bringen kann:

seinen tiefen Glauben an mich, und sein bedingungsloses Vertrauen. Und so war ich sein Vertrauter in seinen Lebenskrisen.

Weil er sich in mir sah. Er bewunderte mich.

Und ich bewunderte ihn. Meinen geheimnisvollen Papa…

Es wird jetzt Zeit, mein geliebter Papa. Morgen komme ich wieder und setze mich neben dich. Damit du keine Angst haben brauchst. Warum solltest du dich fürchten vor all den Wundern, die dich erwarten werden..

image

 

Home – Erlebtes – Lyrisches – Gesehenes – Warum dieser Blog? – Bloginhalte – Über den Autor

ÜBER-LEBEN (…bin dann mal weg)

Inspiration:

Das Ende des Mayakalenders

„ÜBER-LEBEN“

Es ist der 21.12.2012, das Ende aller Tage! Mittlerweile ist es 20:37 Uhr, und ich meine, eben etwas gespürt zu haben, so ein merkwürdiges Surren oder Rauschen in meinem Kopf…

Ich stehe am geöffneten Fenster meines Zimmerchens mit gepacktem Koffer und in meiner Lieblingsjeans, fixiere den Parabolspiegel, den ich intuitiv im oberen Drittel des Gartens installiert habe.

Naja, Parabolspiegel ist vielleicht etwas übertrieben. Nein, es ist eine IKEA Salatschüssel „Blanda Blank“ für unschlagbar günstige 15,35 Euro und mit 36 cm Durchmesser groß genug, um den Gammastrahl locker zu reflektieren, damit die Außerirdischen auf mich aufmerksam werden und mich mitnehmen.

Die universale Sternen-Konstellation hat seit gut einer Stunde die einmalige Position erreicht, es ist nur noch eine Frage von Minuten, bis das todbringende Energiebündel unsere Erde trifft, genau hier, in meinem Garten. Da bin ich mir absolut sicher!

Wo auch sonst, als direkt vor meinen Füßen. Das Armageddon findet hier seinen Ursprung, wird sich spiralförmig über die ganze Erde verbreiten, Tsunami und Flächenbrand entfachend, alles niederwalzend. Bis Mitternacht ist die Erde ein Trümmerfeld. Wehe euch allen!

Aber ich bin darauf bestens vorbereitet. I will survive! Vielleicht ist es ja doch ein Glück, geprügelt durchs Leben zu laufen und zu erkennen, dass Gott ein Strafender ist, der es auf mich abgesehen hat. Na, den werde ich zur Rede stellen, wenn ich lande. Ich werde ihn fragen, was das denn sollte.

Wenn ich zurückblicke auf mein Leben und sehe, wo ich jetzt stehe, ist mir der Weltuntergang willkommen. Als ich kürzlich meine Geschichte einem Menschen erzählte, der mich nicht kannte, inspirierte er mich zu meiner Grabstein-Inschrift:

„Nicht nur finanziell war das Ganze hier ein Desaster…“

Apropos finanziell. In Anbetracht der bekannten Lebensweisheit jenes Weisen, der angesichts des Unterganges ein Bäumchen pflanzen wollte, kam mir der Gedanke, mich selbst als Begünstigtster meiner Lebensversicherung einzusetzen, um wenigstens eine Frucht meines Lebens zu ernten. Darüber habe ich lange nachgedacht. Wie soll das gehen?

Aber es gibt auf alle Fragen eine Antwort, man muss nur suchen:

Meine Versicherungsgesellschaft heißt CosmosDirekt! Die wissen schon, wohin sie die Kohle zu überweisen haben. Für mich ist gesorgt…jetzt kann er kommen, der Untergang!

Es ist 22:21 Uhr, und irgendwas hat da gerade geblitzt, meine ich…ich bin dann mal weg, macht’s gut. Ich schreibe euch, wenn ich angekommen bin.

image

 

Home – Erlebtes – Lyrisches – Gesehenes – Warum dieser Blog? – Bloginhalte – Über den Autor