Inspiration:

Die vergebene Hoffnung auf einen Kinoabend

„Day After Movie (…ein innerer Dialog)“

Um die Persönlichkeit eines Menschen in seiner Gesamtheit zu verstehen, bedarf es der Erkenntnis, dass es eben nicht die eine Persönlichkeit in uns gibt, sondern eine Vielzahl oft völlig gegensätzlicher „Sub-Persönlichkeiten“, die sich Tag ein Tag aus in Form jener inneren Stimmen in uns bemerkbar machen. Insbesondere dann, wenn es einer Entscheidung bedarf, etwa der am Morgen aufzustehen oder liegen zubleiben.

Wer kennt sie etwa nicht, diesen inneren Kritiker oder den Visionär, den Macher oder den Jammerer, den Erwachsenen oder das Kind, alle samt in mir vereint, und noch viele mehr! All diese Kreaturen quasseln den ganzen Tag in meinem Kopf vor sich hin und verursachen ein heilloses Durcheinander in mir. Wie soll man sich denn da noch zurechtfinden?

Um diesem Irrenhaus dennoch Herr zu werden, ist eine innere höhere Instanz von Nöten, genannt das „Selbst“. Anders ausgedrückt ist also mein Selbst der Chef in der geistigen Hütte, der sich wohlwollend jede dieser anteiligen Stimmen anhört und darin zu erkennen vermag, dass alle doch irgendwie Recht haben und eigentlich nur Gutes beabsichtigen, jeder für sich und aus seinem beschränkten Horizont heraus.

Die eigentliche Entscheidung jedoch verbleibt ausschließlich meinem Selbst, nachdem es sich alle mir wohlwollenden Meinungen angehört hat, um auf dieser Basis letztendlich die Entscheidung zu treffen, aus dem Fenster zu springen. Oder auch nicht.

Der ständige Dialog mit seinen inneren Gestalten ist so gesehen von elementarer Bedeutung, egal in welcher Lebenssituation auch immer. Die lassen einen niemals im Stich! Zum besseren Verständnis hierzu das folgende Beispiel, welches wie immer auf einer wahren Begebenheit beruht:

Eine liebe Freundin schreibt mir an einem Montagabend – in diesem Moment tatsächlich etwas unverhofft – eine E-Mail mit dem Vorschlag, wir könnten ja am Samstag ins Kino. Ich habe sie schon lange nicht mehr gesehen, bin buchstäblich aus dem Häuschen und rufe daraufhin meine beste Freundin an, eine meiner inneren Kreaturen. Weißt du, so eine treue Begleiterin, die immer ein Ohr für mich hat, der ich mich mit all meinem Zeug, sei es Kummer, Schmerzen oder auch Freude mitteilen darf.

Ich teile mich eigentlich nur Frauen mit. Männer sind mir da nicht zugänglich. Ich meine natürlich die Männer und Frauen in mir. Kennst du die auch, diese männlichen und weiblichen Anteile in dir?

Wie gesagt, meine innere beste Freundin ist meine Vertrauensträgerin. Tag und Nacht für mich da. Findet immer ein gutes Wort, hört mir zu, fragt nach mir. Sie sorgt sich um mich, ja manchmal geht sie mir auch mit ihren liebgemeinten Ratschlägen auf den Nerv, aber meistens hat sie Recht. Sie ist neugierig und bohrt, will alles wissen. Wunderbar ist sie, sie tut mir gut.

Erste Anlaufstelle also, ich rufe sie an und läute an einem Montag das Wochenende ein:

(Ich) „Du glaubst es nicht, sie geht mit mir am Samstag ins Kiiiiinooooooo!!“

(Sie) „Ist nicht wahr!“

(Ich) „Doch!“

(Wir) „AAAAHHHHHHHHHHH!!!!“

Natürlich hab ich auch einen inneren besten Freund. Er ist halt ein Mann, so einer vom Typ „…na Kopf hoch, das wird schon wieder…“. Mit dem Kerl red´ ich nicht groß über Gefühle, geschweige denn über Frauen, da hat er nicht viel mit am Hut. Seine große Liebe bleibt sowieso nur Schalke, er hat ´ne Jahreskarte und wenn er mich trösten will, kommt er immer nur auf die Idee, mich mit ins Stadion nehmen zu wollen, obwohl ich Fußball eigentlich nicht mag, erst recht nicht Schalke!

Glaub mir, der hat noch nie ein Buch gelesen und ist allen Ernstes der Meinung, Martin Luther-King wäre einer dieser Basketball NBA-Spieler. Ist in seinem Leben nicht wirklich weitergekommen, verzockt sich ständig, ist chronisch pleite. Aber er verliert niemals den Mut, ist voller Energie, hat nur Unsinn im Kopf und einen unschlagbaren Humor, er bringt mich immer nur zum Lachen.

Ein professioneller Pferdedieb! Mit ihm mache ich das, was man mit einem Hund ohne Beine macht: um die Häuser ziehen…

Du siehst, die inneren Kreaturen sind unterschiedlicher denn je, aber sie haben nur das eine gemeinsam: sie wollen dir Gutes! Auch die Dämonen. Letztere sollen hier aber heute keine Rolle spielen, darüber schreibe ich ein andermal.

Die Woche vergeht im Fluge, es ist mittlerweile Sonntag. Ich sitze in der Zeppelinstraße Nr.1 in Bonn Bad Godesberg – bekannter Maßen die ansässige Polizeiwache – mit einem Tampon in der Nase, diversen Schürfwunden und einer verbogenen Brille im Gesicht.

Meine Laune ist nicht wirklich gut, den Samstag Abend hatte ich mir etwas anders vorgestellt. Sie ist weg, ich konnte ihr gerade noch meinen Autoschlüssel an den Kopf werfen, als mich die Bullen aus dem Kino zerren.

Brauche jetzt jemanden, der mich hier abholt, ich hab die Schnauze voll und will ins Bett.

Rufe meine innere beste Freundin an:

(Ich) „Hi, ich bin´s, kannst du…“

(Sie) „Ja Hiiiiii!! Duuuu bist es. Naaaaaaaaaaa? Wie war´s?????????“

(Ich) „Was…?“

(Sie) „Na Kinooooo, was denn sonst! Man erzähl schon, wie war es???“

(Ich) „Schön…“

(Sie) „Aohhhh, sag mal, was bist du denn so kurz angebunden, muss ich dir mal wieder alles aus der Nase ziehen? Jetzt erzähl schon. Ward ihr vorher schön was essen?“

(Ich) „Nee, sie hatte schon gegessen. In Mailand, mit zwei Typen und ´ner Ärztin…“

(Sie) „Äh…, Mailand?“

(Ich) „Mailand…“

(Sie) „…mit zwei Typen und ´ner Ärztin?“

(Ich) „Jupp…“

(Sie) „… und danach mit dir ins Kino, in Mailand?“

(Ich) „Nee, in Bonn…“

(Sie) „Gut, das eine Ärztin dabei ist…geht’s dir gut?“

(Ich) „Nicht wirklich…“

(Sie) „Na dann hatte sie dir ja viel zu erzählen…“

(Ich) „Nee, sie hat gepennt, ist mir im Auto eingeschlafen, ich hab sie irgendwie noch ins Kino gefrachtet und sie schlief einfach weiter, war wohl zu müde…“

(Sie) Schweigen

(Ich) „Bist du noch dran?!“

(Sie) „Geht’s dir wirklich gut?“

(Ich) „Laut geschnarcht hat sie. Dann dreht sich der Typ vor mir um, sagt, ich solle diese besoffene Alte endlich aus dem Kino schaffen…frage ihn, wen er hier mit besoffener Alter meint…er deutet auf sie und sagt, Penner wie wir sollen ihren Rausch woanders ausschlafen…ich schütte ihm daraufhin wortlos meinen Popkorneimer über seine Föhnfrisur und einen Liter Cola hinterher…“

(Sie) „Du sollst doch keine Cola trinken! Die ist nicht gut für dich, du redest ja schon wirres Zeug!“

(Ich) „…der Typ springt auf, wirft seine Käse-Nachos in meine Richtung, ich ducke mich und er trifft einen dieser Vollidioten vom Motoradclub Hennef-Uckerrath, die zwei Reihen hinter uns sitzen…ich wiederum dreh mich genervt um und brülle denen zu, sie hätten sich im Kino geirrt , die Chuck Norris-Filmnacht sei in Kino 8 und nicht in 9, ihr Blödmänner…“

(Sie) „Jetzt mach ich mir echt Sorgen um dich!“

(Ich) „…brauchst du nicht, hatte ich gestern auch nicht, als die über mich hergefallen sind. Kannst du mich bitte jetzt holen?“

(Sie) „Du solltest jetzt besser mal schlafen, so wie deine Freundin.“

(Ich) „Bist du noch dran?! Hallo?“

Aufgelegt.

Shit, sie glaubt mir nicht. Manchmal gibt es wohl Situationen, da glaubt einem keine(r).

Hilft nichts, ich will in mein Bett, schlafen. Sie hat mal wieder Recht!

Na, da bleibt nur einer. Obwohl, das könnte Stress geben, draußen ist es noch dunkel und wie ich den Kerl kenne, erwische ich ihn auf dem falschen Fuß. Samstags ist er mit dem Hund ohne Beine unterwegs und trinkt mindestens 5 Jacky-Cola mit parallel selbiger Anzahl Hefeweizen, schwingt große Reden und verpennt den Sonntag. Schalke hat zudem verloren.

Cola ist nicht gut für ihn, das predige ich ihm schon ewig, aber er hört einfach nicht auf mich. Der braucht wirklich eine Freundin!

Sag mal, pennt denn die ganze Welt?

Ich wähle die Nummer…

(Er) „Mhja…“

(Ich) „Alter, ich bin´s, kannst du…“

(Er) „Sach mal du Platzpatrone, weißt du eigentlich, wie viel Uhr ist?“

(Ich) „Nee, Uhr kaputt…“

(Er) „Kauf dir ´ne neue…was is?“

(Ich) „Bin bei den Bullen…“

(Er) „Wo?“

(Ich) „Zeppelinstraße 1“

(Er) „Kenn ich, die sind cool…Warum?“

(Ich) „War mit ihr im Kino.“

(Er) „Na dann is ja kein Wunder…Warum Bullen?“

(Ich) Obiges in sehr verkürzter Form und in extrem genervten Wortfragmenten, also so, wie sich Männer um halb acht Sonntag morgens unterhalten, aber in dieser unerreichten Reduktion aufs Wesentliche, das können Frauen nicht…

(Er) „Hast du noch was von dem Zeug?“

(Ich) „Was für ein Zeug?“

(Er) „Na das, was du gerade geraucht hast. Will ich auch. Komm heute Abend mal rüber. Nacht!“

(Ich) „Bist du noch dran?! Hallo?“

Aufgelegt.

 

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